Pharmacooking stellt sich vor
Von Cemre Cukaci, Reinhold Innerhofer und Markus Munzig
Einstieg
Was glaubst du, ist das potenteste Mittel um lange zu leben?
Ehrlich gesagt: wir wissen es noch nicht genau. Was wir aber wissen ist, dass in fast jedem bis jetzt untersuchten Modellorganismus Kalorienrestriktion ganz vorne dabei ist. Wie das genau funktioniert wurde mittlerweile auch schon ziemlich gut aufgeschlüsselt. Regelmäßiges Fasten von 3 und mehr Tagen könnte dabei tatsächlich das billigste und potenteste “Medikament” sein. Die Details dazu haben wir bei unserem letzten Pharmacooking Event am 10. Dezember zum Thema Langlebigkeit vorgestellt.
Was ist Pharmacooking?
Pharmacooking ist ein Kochkurs für Medizinstudenten. Bei Pharmacooking geht es aber neben dem gemeinsamen Kochen hauptsächlich um die Inhaltsstoffe und wie diese zur Prävention bzw. Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden können.
Wie läuft das ab?
Im Vorfeld einigen wir uns auf ein Krankheitsbild oder einen relevanten Pathomechanismus. Als nächstes suchen wir in der wissenschaftlichen Literatur nach Nahrungsinterventionen, welche zur Therapie oder Prävention dieses Krankheitsbildes eingesetzt werden können. Aus den effektivsten Zutaten stellen wir dann ein 4-Gänge-Menü zusammen. Für den Feinschliff des Menüs und unseren hohen kulinarischen Anspruch unterstützen uns professionelle Köche.
Vor dem gemeinsamen Kochen stellen wir dir in einer 45-minütigen Präsentation unsere Rechercheergebnisse vor. Wann immer möglich stellen wir die Effekte der Lebensmittel den Effekten der medikamentösen Goldstandardtherapie gegenüber. Am Ende enthüllen wir das Menü. Dann heißt es Ärmel hochkrempeln, Hände desinfizieren und ran an die Kochlöffel. Beim Kochen führen wir dich durch die Arbeitsschritte. Dabei sollst du neben der Wissenschaft auch spannende Zubereitungsmethoden kennenlernen, mit denen du vielleicht sogar deine Freunde oder deinen Flirt beeindrucken kannst.
Unsere Vision ist mehr Gesundheit für dich und deine zukünftigen Patienten, indem du lernst, wie du Ernährung als zusätzliches Instrument einsetzen kannst.
Warum Pharmacooking?
Weil wir finden, dass Ernährung im Studium viel zu kurz kommt. Als Ärzte lassen wir sehr viel auf der Straße, wenn wir uns nicht die Mühe machen, mehr über Ernährung zu lernen. Das möchten wir im Folgenden anhand von zwei Beispielen verdeutlichen.
In Österreich leiden ca. 17% der Frauen und 25% der Männer an Bluthochdruck (Quelle: http://www.ncdrisc.org/country-profile.html). Mehr als 90% fallen in die Kategorie der essentiellen Hypertonie, das heißt wir finden keine direkte Ursache dafür (viele Hypertoniker sind darüber hinaus insulinresistent bzw. haben anderen Komponenten des metabolischen Syndroms).
Wie würdest du in diesem Fall therapieren? Jeder, der in Block 11 gut aufgepasst hat, würde jetzt als erstes an ein Diuretikum, einen ACE-Hemmer oder einen Beta-Blocker denken. Wer sich für Lifestyle interessiert, wird wahrscheinlich noch eine Salz- und Gewichtsreduktion anraten. Aber fragst du dich nicht auch, was denn tatsächlich die Ursache dieses Problems sein könnte?
Was uns diesbezüglich niemand beigebracht hat ist, dass größere Mengen Fruktose zur Hochregulierung von Salz- und Fruktosetransportern in Jejunum und proximalem Tubulus führen. Das geschieht teilweise über die lokale Bildung von Harnsäure, andererseits durch die Aktivierung der Proteinkinase C, welche die Bildung von Angiotensin II anregt. Durch das positive Feedback kann noch mehr Fruktose aufgenommen werden. Dadurch wird noch mehr Harnsäure gebildet wird. Ein Teufelskreis beginnt. Harnsäure raubt zusätzlich NO und verhindert somit die Vasodilatation (Eren et al. 2018). Außerdem führt Fruktose zu Leptinresistenz, wodurch Sättigungssignale ausbleiben (Johnson et al. 2013).
Wenn dann noch eine hohe Salzzufuhr ins Spiel kommt, wird es gleich doppelt interessant. Salz aktiviert über das tonicity responsive enhancer binding protein (TonEBP) den Sorbitol-Pathway. Im Sorbitol-Pathway wird Glukose in Fruktose umgewandelt. Im Tierexperiment braucht man dann keine Fruktose mehr ins Futter geben und die Tiere entwickeln trotzdem eine Fruktose-induzierte Hypertonie (Lanaspa et al. 2018) Wer also dauernd zuckerhaltige Getränke, Süßigkeiten (Zucker = 50% Glukose + 50% Fruktose) und stark gesalzenes konsumiert, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Probleme bekommen. Sidenote: Smoothies und Honig sind leider auch nicht viel besser – die Dosis macht das Gift.
Der Forscher und Nephrologe Richard Johnson hat diese Mechanismen in den letzten Jahren bis ins Detail entschlüsselt. Laut eines aktuellen Interviews soll schon bald das Ergebnis seiner 20-jährigen Forschung auf diesem Gebiet im Journal Science erscheinen. Wahrscheinlich wird schon bald Fruktoserestriktion eine wichtige Säule des Behandlungskonzepts von Bluthochdruck, metabolischem Syndrom, Adipositas, Diabetes und der nicht-alkoholischen Fettleber werden. Bis dahin, werden wir
wohl weiterhin lernen, dass Gicht-Patienten lediglich auf Purine verzichten sollten.
Noch ein Beispiel. Der mittlerweile 91 Jahre alte Forscher Bruce Ames (Erfinder des Ames Mutagenitätstests) hat im letzten Drittel seiner Forschungskarriere die Triage-Theorie ins Leben gerufen.
Sie besagt, dass Mikronährstoffe (Vitamine, Spurenelemente & Mengenelemente) zuerst in Proteine eingebaut werden, die für das unmittelbare Überleben notwendig sind (Überlebensproteine). Erst wenn die Versorgung dieser Proteine gesichert ist, werden Prozesse, die uns langfristig gesund halten sollen, versorgt (Langlebigkeitsproteine). Er konnte das unter anderem am Beispiel des Vitamin K zeigen. Denn Vitamin K ist nicht nur wichtig für die Aktivierung der Gerinnungsfaktoren, sondern auch des Matrix-Gla-Proteins und Osteocalcins.
Das Matrix-Gla-Protein sitzt in der glatten Muskulatur der Gefäßwand und verhindert dort die Einlagerung von Calcium. Menschen, die das Matrix-Gla-Protein nicht exprimieren (Keutel-Syndrom) wirken bei der Geburt großteils unauffällig, entwickeln aber früh Kalkablagerungen in verschiedensten Geweben, einschließlich der Gefäßwand.
Osteocalcin wird von Osteoblasten gebildet und ist am Knochenaufbau beteiligt. Menschen mit Polymorphismen im Osteocalcin-Gen zeigen (wenig überraschend) im Alter eine niedrigere Knochendichte.
Nach der Triage-Theorie sollte bei einer Vitamin-K-Mangelzufuhr das gamma-carboxylierte (aktivierte) Osteocalcin sinken und später erst die Gerinnungsfaktoren. Genau das zeigt sich auch in Untersuchungen.
Gleichzeitig beeinträchtigt ein leichter Vitamin-K-Mangel zwar nicht deine Gerinnung, ist aber assoziiert mit Knochenschwäche und Arterienkalzifizierung im Alter, genauso wie eine langfristige Therapie mit Vitamin-K-Antagoisten (McCann & Ames 2009)
Was können wir daraus schließen? Eine leichte Unterversorgung mit Mikronährstoffen macht kurzfristig keine Beschwerden, beschleunigt aber das Auftreten altersassoziierter Erkrankungen (Ames 2018).
Die moderate Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralsstoffen ist allerdings extrem prävalent (Fulgoni et al. 2011). Wenn Ames recht hat, könnte eine bessere Nährstoffversorgung einen unglaublichen Impact auf die Gesundheit der Bevölkerung haben. Aber wie sollte man sich ernähren, wenn man langfristig adäquat versorgt sein möchte? Das sind genau die Fragen, die wir euch beantworten wollen.
Zukünftige Events
Unsere Events werden in Kooperation mit der ÖH auf der ÖH Facebook Seite angekündigt. Die Teilnahme kostet 10€, diese musst du vorab im ÖH Büro auf Ebene 6 einzahlen. Die Showküche befindet sich in der Markhofgasse 17 im 3. Bezirk. Die Events finden immer zwischen Dienstag und Donnerstag statt und dauern von 17:00 bis 23:00 Uhr.
Unser nächster Termin ist:
- ERNÄHRUNG UND DEPRESSION (passend zu Block 20 zwischen 31. März und 2. April)
- VEGAN – PRO & CONTRA (voraussichtlich in Kooperation mit der BOKU-Wien im Oktober 2020)
Literatur
- Ames, B. N. (2018). Prolonging healthy aging: Longevity vitamins and proteins. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 115(43), 10836–10844. http://doi.org/10.1073/pnas.1809045115
- Eren, O. C., Ortiz, A., Afsar, B., Covic, A., Kuwabara, M., Lanaspa, M. A., et al. (2019). Multilayered Interplay Between Fructose and Salt in Development of Hypertension. Hypertension (Dallas, Tex. : 1979), 73(2), 265–272. http://doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.118.12150
- Fulgoni, V. L., Keast, D. R., Bailey, R. L., & Dwyer, J. (2011). Foods, fortificants, and supplements: Where do Americans get their nutrients? The Journal of Nutrition, 141(10), 1847–1854. http://doi.org/10.3945/jn.111.142257
- McCann, J. C., & Ames, B. N. (2009). Vitamin K, an example of triage theory: is micronutrient inadequacy linked to diseases of aging? The American Journal of Clinical Nutrition, 90(4), 889–907. http://doi.org/10.3945/ajcn.2009.27930
- Johnson, R. J., Nakagawa, T., Sanchez-Lozada, L. G., Shafiu, M., Sundaram, S., Le, M., et al. (2013). Sugar, uric acid, and the etiology of diabetes and obesity. Diabetes, 62(10), 3307–3315. http://doi.org/10.2337/db12-1814
- Lanaspa, M. A., Kuwabara, M., Andres-Hernando, A., Li, N., Cicerchi, C., Jensen, T., et al. (2018). High salt intake causes leptin resistance and obesity in mice by stimulating endogenous fructose production and metabolism. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 115(12), 3138–3143. http://doi.org/10.1073/pnas.1713837115
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